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TRANSAKTION
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Zur Vorbereitung dieser Ausgabe besuchte die Redaktion Künstler, Kuratoren und Theoretiker, um Berührungspunkte zwischen Kunst und Architektur aufzuspüren. Gespräche mit Künstlern unserer Generation wie Sabina Lang und Daniel Baumann bestärkten uns darin, keine Trennlinien zu ziehen, sondern jene Gebiete genauer zu erforschen, in denen sich beide Bereiche ausbreiten und vermischen.

Lang und Baumann überspannen in ihrer künstlerischen Praxis den gesamten Fächerkanon der architektonischen Disziplin. Neben der Applikation von Kunst am Bau gestalten sie Interieurs und entwerfen Häuser, prägen städtische Orte und Landschaften. Bei Projekten wie ihrem „Hotel Everland" auf der Schweizerischen Landesausstellung EXPO 02 greifen die bekannten Einteilungen in „dienende Architektur" und „funktionslose Kunst" nicht. Ihr Ein-Zimmer-Hotel beherbergte als Kunstwerk zur Benutzung jede Nacht wechselnde Gäste.

Einer der Orte, an dem Kunst und Architektur aufeinandertreffen, ist das Museum. Hier wird Architektur für Kunst geschaffen. Anspruch und Offenheit dieser Bauaufgabe veranlassen Architekten zu ambitionierten Experimenten. In den letzten Jahren wurde Architektur zum beliebten Thema von Kunstausstellungen. So zeigten im Jahr 2001 die drei wichtigsten Kunsttempel in New York - das Museum of Modern Art, das Whitney Museum und das Guggenheim

Museum - Architektur als Kunst. Diese Ausstellungen galten dem Werk Mies van der Rohes, der sich mit seiner Neuen Nationalgalerie in Berlin sehr frei über die Funktionen des Museumsbaus hinwegsetzte und dem Werk Frank Gehrys. Auf den Rampen des Frank Lloyd Wright Museums folgte der Besucher einer ganzen Evolutionsspirale immer aufwändigerer Museumsprojekte, die mit Gehrys Entwurf für ein neues Guggenheim Museum in New York endeten.

Angesichts dieser Tendenzen legt Vittorio Magnago Lampugnani mit seinem Artikel den Architekten im Umgang mit der Kunst Bescheidenheit ans Herz. Für ihn bleibt jedoch fraglich, ob diese Bescheidenheit durch einen formalen Minimalismus erreicht wird. Obwohl er selbst eng mit sehr profilierten Architekten zusammenarbeitete, forderte Rémy Zaugg in den 1990er Jahren, dass sich die Architektur in Kunstmuseen radikal zurückhalten sollte. Vielleicht übersieht man bei der Beschränkung der Farben und Formen von Ausstellungsräumen einen viel wichtigeren Punkt: eine Ausweitung der Zeitspanne, in der ein Besucher die Möglichkeit hat, seine Eindrücke während einer Ausstellung zu vertiefen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass gerade mit einem so bescheiden auftretenden Projekt wie dem „Hotel Everland" ein Raum geschaffen wurde, der eine längere Auseinandersetzung ermöglichte.

Durch die Fenster des Hotels konnte der Besucher die spektakulären Exponate der Landesausstellung bei wechselndem Licht und Wetter betrachten, befand sich dabei aber in einem unerwartet privaten Raum. Gleitet der Blick des Betrachters heute über die abgerundeten Ecken der Fensteröffnungen, so entgeht ihm diese Besonderheit, der Entwurf eines auf 24 Stunden gedehnten Zeitrahmens.

Eine weitere Überschneidung zwischen Kunst und Architektur ergibt sich durch gemeinsame Darstellungstechniken - Zeichnung, Fotografie, Collage, Modell oder Computer-Rendering. Für transAktion wählten wir Arbeiten des Künstlers Boris Rebetez aus. Nach Manfredo Tafuri waren die Vorgänger der im 20. Jahrhundert bei Architekten so beliebten Collagen die Capricci aus dem 18. Jahrhundert, insbesondere jene von Canaletto und Piranesi. Beide lieferten präzise Ortsbeschreibungen und erfanden gleichzeitig Orte. In Piranesis Werk lässt sich die Person des Künstlers nicht von der des Architekten trennen. Boris Rebetez' Collagen wirken anders als bei Piranesi wie zufällig zusammengesetzt, als bestünde keine vorgefasste Bildidee. Aus Bildbänden, Tourismusmagazinen, Illustrierten und Werbebroschüren ergeben sich neue Anordnungen von mehreren Momenten und Zeiten. In den unterschiedlichen Kombinationen von Architektur und Natur finden wir Stadtlandschaften, deren eigenartige Atmosphäre an bestimmte Filme erinnert. Die Montage in Schichten lässt an Prinzipien des klassischen Bildaufbaus und an Theaterkulissen denken. Durch die Aufteilung in Vorder-, Mittel- und Hintergrund wird eine offene Plattform geschaffen.

Während die Situationen in Boris Rebetez' Collagen für den Betrachter bespielbar sind wie leere Bühnenbilder, scheint in den hier gezeigten Fotografien von Bernard Voita ein ähnlicher Zugang zunächst verunmöglicht. Der Blick läuft ins Bild hinein, einer als räumliche Fluchtachse gewählten Linie folgend, bis er auf eine Unstimmigkeit trifft - eine scharfe Kante mitten in einem verwischten Bereich. Man versucht zu fokussieren, vermeintlicher Vorder- und Hintergrund wechseln ihre Position. Entzieht sich das, was man genauer zu erkennen versucht, weil es zu nahe oder zu weit entfernt ist? Beim Versuch, den Raum zu entziffern und einen Massstab einzuführen, wird der Betrachter immer wieder zum Ausgangspunkt zurückgeworfen. Dennoch setzt sich nach einer gewissen Zeit ein kohärentes Bild zusammen. Dann zerfällt es wieder. 

Das Anknüpfen an einer Stelle, das folgende Aneinanderfügen von Einzelteilen als prozesshaftes Annähern und Weiterentwickeln - darin sehen wir eineLesart der vorliegenden Ausgabe und darüber hinaus eine Möglichkeit, wie wir Architektur und Kunst und die uns umgebende Welt wahrnehmen können.

Published in April 2003

Contributors

Tipje Behrens, Michael Reber, Hendrik Tieben, Tibor Lamoth, Hendrik Tieben, Patrick Healy, Julian Varas, Gaspar Libedinsky, Vittorio Magnago Lampugnani, RELAX, Catherine Hug, Giovanni, Carmine Lilian Pfaff, Pamela Theodora, Sabina Lang, Daniel Baumann, Susanne Kuhlbrodt, Katharina Marchai, Boris Rebetez, Andreas Münch, Nicola Di Battista, Miroslav Sik, Daniel Näf, Philip Loskant, Aurel von Richthofen, Dirk Hebel, Jörg Stollmann, Ole W. Fischer, Bernard Voïta, Andreas Tönnesmann, Paul Meyer, Lothar Schmitt

Editorial Team

Tipje Behrens, Harald Bindl, Sasha Cisar, Tibor Lamoth, Michael Reber, Aurel von Richthofen, Hendrik Tieben, Tina Unruh, Patric Unruh


Table of content

Über Kunst, Orte und Prozesse : ein Gespräch mit Urs Raussmüller

on action

Crowds : depicting the urban event : resonances of Gaspar Libedinsky's Urban Performances_Buenos Aires

Erkenntnis versus Unterhaltung : unzeitgemässe Betrachtungen zur Architektur der Kunstmuseen des 20. Jahrhunderts

Das "Réduit" muss verschwinden - aus unseren Köpfen

"Architecture in relation to art" : der Einfluss der Architektur der 60er und 70er Jahre auf die Kunst

Architectural photography in Chicago : a conversation with Ron Gordon

Architectural photography in Chicago : a conversation with Jack Hedrich

Promenade cinématographique

"Do you ever think of me?"

Das langsame Haus : Diller und Scofidio - zwischen Konzeptkunst, Installation und Architektur

Ein Forum für experimentelle Architektur : der eidgenössische Wettbewerb für Kunst

La chiesa di S. Giacomo Apostolo

Dienende Kunst

Architektur ohne Kunst : die Zisterzienser

Le Corbusier, das Ornament und das Dazwischen

E - Motive Architecture : a conversation with Michael Bittermann

Die Gedanken tragen weiss : drei Häuser, ein Bild und ein Mythos

Treppen, Bild, Figur : Notizen zu Stephan von Huenes "Hableiter von Chemnitz"

Künstler - Bauten - ArchitektInnen - Bauherren : ein Erfahrungsbericht

Künstlerhäuser und Ateliers : ein Überblick nebst Abschweifung