„Es war die Polis, der eingezäunte Raum der freien Tat und des lebendigen Wortes, die das Leben aufglänzen machte ' - Hannah Arendt, Über die Revolution
An der Wende zum neuen Millenium sind die Reden vom Ende Legion: Kaum ein Diskurs, in dem es an apokalyptischen Tönen fehlte. Wir hörten vom Ende der Geschichte, von dem der Kunst und auch der Stadt in ihrer heutigen Gestalt wird die Zukunft bestritten. Es ist nicht das Anliegen von transcity, in dieses Lied einzustimmen. Unbestritten ist, dass mit dem Schicksal der Stadt auch dasjenige anderer kultureller und sozialer Errungenschaften aufs engste verknüpft ist. Wer über die Stadt des 21. Jahrhunderts Überlegungen anstellt, oder gar Visionen entwickelt, bezieht damit zugleich Stellung zur Frage der kulturellen, politischen und sozialen Wirklichkeit. Eine imaginierte Stadt ist soziale Utopie, deren visionäre Kraft wesentlich daher rührt, dass sie sich von der Stadt der Gegenwart
kritisch abhebt und eine Alternative formuliert.
Unser Jahrhundert ist an grossangelegten Versuchen, utopische Gesellschaftsentwürfe in die Wirklichkeit zu überführen nicht eben arm. Es gehört zu einer der allzu späten und teuer erkauften Einsichten, dass das Scheitern dieser Gesellschaftsexperimente nicht selten bereits den kognitiven Strukturen ihrer Theorien eingeschrieben war. Kritische Theorie mag sich um ihrer Reinheit willen den Luxus erlauben können, eingedenk der Möglichkeit des theorieimmanenten Scheiterns radikal auf die Konstruktion von neuen Gesellschaftsentwürfen zu verzichten. Wo indes, wie im Falle des Nachdenkens über die künftige Gestalt des Urbanen Raumes konkrete Aufgaben und Herausforderungen zu bewältigen sind, gilt es, sich diesen zu stellen und problembezogene Konzepte zu erarbeiten.
Eine vielversprechende Form des Theoretisierens, in der dies geschehen kann, scheint uns die Konfrontation von Rede und Widerrede im freien Gespräch, das getragen ist von Toleranz und Pluralismus. Denn damit sind bereits jene Qualitäten theorieleitend, zu deren Verwirklichung die Stadt auch inskünftig wird Raum bieten müssen.
Bei der Konzeption von transcity war der Gedanke leitend, durch die Offenheit eines solchen Gesprächs einen positiven und nachhaltigen Synergieeffekt zu erreichen. Den global geführten Stadtdiskurs aufgreifend, decken die Artikel dieses Heftes ein weites Spektrum ab. Sie reichen von nüchternen Bestandesaufnahmen über die Auseinandersetzung mit konkreten Urbanen Problemen, bis hin zur Skizzierung von kühnen Zukunftsszenarien. Autorinnen und Autoren nehmen auf vielfältige Weise aufeinander Bezug, sei es dass sie Aspekte aufgreifen und kritisch hinterfragen, oder sich von verschiedenen Ansätzen aus mit einem Thema befassen.
Es bleibt zu hoffen, dass auch im Prozess der globalen Entgrenzung das Stadtgespräch nicht abreissen wird und somit auch in Zukunft Stadt und freie Rede einander Raum geben.
Contributors
Michèle Rüegg, Tim Kammasch, Hans Frei, Wolfgang Sonne, Bettina Köhler, Vittorio Magnago Lampugnani, Oya Atalay Franck, Matthew Davis, Florian Wenz, etoy, Hans Drexler, Marion Kalmer, Konstantin Lauber, Ivan Reimann, Johannes Brunner, Rudolf Manz, Sonja Fröhlich, Sabine von Fischer, Srdjan J. Weiss Miroslav Stojanovic, Kriz Kostadinov, Phillip Ursprung, Marc Angélil, Christian Bretschinger, Gieri Monn, Pascal Müller, Esther Righetti, Franz Bucher, Daniel Mettler, Franz Oswald, Sabine Friedrich, Johannes Schallhammer, Christoph Altermatt, Helmut Spieker, Werner Huber, Ihab Morgan, Michael Güller, Elisabeth Blum, Cary Siress, Mark Lee, Florian Baier
Editorial Team
Dirk Hebel, Michèle Rüegg, Roderick Aichinger, Florian Baier, Nils Becker, Patrick Chladek, Tanja Herdt, Tim Kammasch, Michael Mix, Stephan A. Renner, Stephan Schoeller, Robert Volhard, Philipp Wälchli
Table of content
Transcity : die Architektur kehrt zurück
Die Stadt der klaren Räume
Prospero ist müde? : Polemisches Plädoyer für eine städtische Institution und ihren Ort
Die dauerhafte Seite : Wunschvorstellungen zur Stadt des telematischen Zeitalters
Die Stadt als unvollständiges Projekt
Etikettierung einer Randerscheinung
3903... : Liquidation und Projektion von Stadt und Körper
Die Stadt als metastabiler Zustand
Stadt-Landschaften
Schon eine Weile und noch immer "Nach wie vor"
Stadthaltung
Rotterdam versus Amsterdam : oder "Die Immigration des Feuerzeugs"
Abwege : die Reise nach Transortija
"Heute ist es überall schön" : Kunst im öffentlichen Raum von Chiarenza & Hauser & Croptier
City X: a city without qualities : the crossing of center and periphery
Urbane Arterien
Glatt-Stadt - Phänomene des Urbanen
Global ZURICH : Heimat, Waste
Von Anonymia zu Lakunia : Umbau im Schweizer Mittelland
Form follows meatbolism follows form
Nehmen und Geben : Berlin am Puls der Zukunft?
Zürichs Weg ins 21. Jahrhundert : von der Brache zu "Zürichs zweiter Mitte"
Projekt "Corso"
Warschau : eine Stadt an der Schwelle zum 21. Jahrhundert
National, Kolonial, International : zur Entwicklungstendenz der ägyptischen Hauptstadt Kairo
Disease infrastructure : haunting legacy and self-procreating mortgage in the NYMR
An urban pilot project : a new figure of urban spots for the poor and the homeless
2000:1 present speculation
Critical mass and the crisis of new urbanism
Architecture of resistance : an interview with Peter D. Eisenman