Der Siegeszug Hollywoods mit seinem Anspruch, immer realistischere Leinwand-Welten zu schaffen, wurde immer wieder durchkreuzt von Tendenzen eines „Realismus", denen es darum ging, die Authentizität des Lebens einzufangen und nicht nur dessen äusseren Schein. Nach dem italienischen Neorealismus und der Nouvelle Vague gehört das dänische Dogma-Projekt in diese Reihe. Seine Regisseure arbeiten mit einer selbstauferlegten Beschränkung aller Faktoren, die das Drehen eines Filmes bestimmen. Damit wollen sie der von ihnen geschaffenen Handlung eine Tiefe verleihen, die diese in der „wirklichen" Realität verankert.
In der Architekturdiskussion wie beim Film: Wohin man hört, wird über Realität gesprochen. Der flüchtige Blick unterscheidet zwei kontroverse Parteien: Die einen lesen Bücher französischer Philosophen und schwelgen am Computer in komplexen virtuellen Welten, während die anderen auf der Baustelle ihre soliden Häuser durchboxen, und zwischendurch den Werteverlust der heutigen Kultur kritisieren. Dass sich zwischen diesen beiden Extremen noch eine ganze Reihe differenzierter Standpunkte finden lassen, zeigen die Beiträge in diesem Heft.
Realismus in der Architektur von heute? Wenn er sich ernsthaft auf die Suche nach der Wirklichkeit macht, sollte er nicht, wie seine populistischen Ahnen, beim Offensichtlichen stehen bleiben. Die Bilderwelten Venturis hinter sich lassend, sollte er in die Tiefe eindringen, ohne das Engagement für den Alltag zu verlieren. Er sollte sich auf eine Wirklichkeit aus Bits und aus Backstein beziehen, die sich in unserer Wahrnehmung täglich neu zusammensetzt. Ein Realismus, der vom Surrealismus gelernt hat, das Unbewusste einzubeziehen, ohne es jedoch an oberste Stelle zu setzen. Als Transrealismus sollte er die Vielfältigkeit unserer Wirklichkeit nicht mehr als Gegensatz darstellen, sondern als ein Ineinanderfliessen.
Contributors
Hendrik Tieben und Axel Simon, Emmanuel Petit, Wolfgang Meisenheimer, Oya Atalay Frank, Jochen Meyer, Sven Neumann, Francesco Baldini und J.B. Bruderer, Sonja Fröhlich, Claudia Gliemann, Diller&Scofidio, Jean-Pierre Junker, Miroslav Sik, Caspar Kemper, Hans Kollhoff, Mechthild Heuser, Sabine von Fischer, Odilo Schoch, Tobias Oehmichen, Marcelyn Gow, Angelus Eisinger, Anna Klingmann, Maya Huber, Cary Siress Christophe Girot, Greg Lynn
Editorial Team
Samuel Hasler, Thomas v. Pufendorf, Stephan Renner, Axel Simon, Barbara Suter, Hendrik Tieben, Martina v. Tippelskirch
Table of content
Attention: slippery floors! : An architects' throughts on real and virtual grounds
Das Utopische in der Wahrnehmung des Wirklichen
Architektur für den Kopf : das Virtuele im Realen
"Die Erfindung lässt sich nicht erzwingen" : vom architektonischen Etnwerfen und seiner politischen Relevanz
Null - Realitäten?
Limitation de la perception
Die See
We realize that we cannot realize it
Diller + Scofidio Blur Building
"Realismus"
"Die Stimmung ist die SIA-Norm" : ein Gespräch mit Miroslav Šilk über realistische Bilder, altneue Baukunst und schwarze Kleidung
Architektur zwischen medialer Verwertung und körperlicher Erfahrung
Die Suche nach der Mitte oder "Der leere Thron"
The shock of collage : an attempt of immediate analysis of collage in some of Alvar Aaltos buildings
abbilden
Das Bild ist Jetzt : die Entwicklung des Bildraumes bei Barnett Newman
Purveyance and the hyper : mediated commodities of situationist practice
Wirklichkeitsbilder : Anmerkungen zu Stadtvorstellungen im Städtebau
The real real : capitalism and schizophrenia in the production of the urban landscape
Las Vegas and beyond : authentic reproductions of urban caricatures
Vestiges of the real : cartographies of the psyche and the city
Dual landscapes
A new style of life